Unsere Geburtshelfer Teil 1


Anfang November 1990. Vor einem Jahr war es uns gelungen, fast zeitgleich mit dem Mauerfall im DDR-Fernsehen die Umweltsendereihe OZON zu erstreiten. Nun gab es die erste Westreise unseres Kollegen Ernst-Alfred Müller, dem heutigen Festivalleiter der Ökofilmtour, ins ferne Freiburg.

Die schöne Stadt im Dreiländereck vor den Schwarzwaldbergen war seit Jahren Ort mutiger Proteste. Gegen Hausräumungen, Militärübungen, Bleiverseuchung, bald auch gegen den Golfkrieg. Mit der Besetzung der nahen Baustelle des Atomkraftwerkes Whyl im Februar 1970 hatte alles angefangen. Die aufkeimende Anti-Atombewegung war dann auch Geburtshelferin des „ÖKOMEDIA-Instituts e.V. für ökologische Medienarbeit“ und des gleichnamigen 1984 gestarteten ersten deutschen Umweltfilmfestivals. Bei Dreharbeiten über das tschechische EKO-Film-Festival in Bratislava war Ernst-Alfred nach Freiburg eingeladen worden. Wie auch das Potsdamer Naturfilmehepaar Christine und Siegfried Bergmann.

Heidi Knott, die Direktorin, und ihr Stellvertreter Horst Hamm empfingen die Ostdeutschen überraschend herzlich und neugierig. Ohne die übliche Besserwisserei und trotz Heidis weltläufiger Biografie. Sie war in Los Angeles geboren, wegen der Arbeitsstelle des Vaters bei einer Ölbohrfirma in Saudi-Arabien aufgewachsen, ging bei den Großeltern in London weiter zur Schule, dann zurück in die USA zum Studium in North Carolina. So erlebte sie 1969 in Washington auch die großen Proteste gegen den Vietnamkrieg. Dann verliebte sie sich in den deutschen Filmemacher Willi Gladitz, der unter dem Namen Peter Krieg in West-Berlin lebte. Sie zog zu ihm, lernte an der FU Deutsch, studierte an der Film- und Fernsehakademie und drehte ab 1980 mit ihm preisgekrönte, entlarvende Dokumentationen wie „Septemberweizen“.

Einer ihrer frühen Filme führte zu einem berühmten Boykott von Nestle Foods und ihren Produkten, nachdem sie die Bemühungen des Unternehmens aufgedeckt hatten, arme Frauen aus der Dritten Welt dazu zu bringen, das Stillen zugunsten seines oft mit schmutzigem Wasser angerührten Milchpulvers aufzugeben. Später waren sie nach Freiburg gezogen. Politischer Mut, der uns geradezu beflügelte.

Nun hatten Heidi und Horst Hamm einen Film über die Proteste zur B 31 gedreht. Diese Ost-West-Bundesstraße, von Breisach am Rhein an der französischen Grenze bis zum Anschluss an die Bundesautobahn 96 bei Lindau am Bodensee, sollte mitten durch das schöne Freiburg gehen. Im September hatten viele Freiburger wieder demonstriert für eine Umgehungsstraße, die B31-Ost. Doch es fehlte eine Fernseh-Redaktion, die den Film ausstrahlt.

Heidi und Horst hörten begeistert die Geschichte unserer OZON-Redaktion. Wir ebenso begeistert von ihren weltweit vernetzten, gut besuchten „Internationalen Tagen des ökologischen Films“. Natürlich luden wir sie mit ihrem Film in unsere OZON-Redaktion nach Berlin-Adlershof ein.


Hartmut Sommerschuh