Unsere Geburtshelfer Teil 2


Februar 1991: Unsere Stimmung in der OZON-Redaktion hatte schon jähe Wendungen hinter sich. Die anfängliche Euphorie tausender Zuschauer über unsere kritische, aber auch mit Ratschlägen helfende Umwelt-Sendreihe war vielfach in Zukunftsangst umgeschlagen. Hunderte Industriebetriebe waren inzwischen von der Treuhand abgewickelt worden. Die Menschen bangten um Arbeit und Existenz.

Nach einer OZON- Sondersendung über „Berufe im Umweltschutz“ mit Anrufmöglichkeit klingelten die Telefone bis zum nächsten Morgen, kamen über tausend zum Teil verzweifelte Briefe.

Auch uns Journalisten, mir als inzwischen benanntem Redaktionsleiter, ging es dabei nicht viel besser. War doch im Artikel 36 des Einigungsvertrages festgelegt worden, dass Rundfunk und Fernsehen der DDR, die sogenannte „Einrichtung“, zum 31. 12. 1991 aufgelöst und in einzelne kleine Länderanstalten überführt wird. Hoffnungen der „Runden Tische“ auf einen neuen gemeinsamen Sender für ganz Ostdeutschland waren politisch gescheitert.

Hellmuth Kohls Abwickler vom Bayrischen Rundfunk, Rudolf Mühlfenzl (1919 -2000), „Rundfunkbeauftragter für die neuen Bundesländer“, kehrte im Laufe des Jahres die Redaktionsstuben in mehreren Entlassungswellen mit eisernem Besen aus. Betroffen waren über 8 000 Journalisten, Kameraleute, Techniker, Bühnenarbeiter und Kraftfahrer aus den beiden Vollprogrammen des DDR-Fernsehens und 5 000 Menschen vom Rundfunk. Wohin würde unsere Reise als erste kritische Umweltredaktion gehen? Keiner konnte ahnen, dass Michael Albrecht, der erste berufene Fernsehdirektor des späteren Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB), bis dahin Kameramann bei der DEFA, in zähen Verhandlungen mit Mühlfenzl unter anderem das Sandmännchen und OZON retten würde.

Wir ließen uns zunächst nichts anmerken, erwiderten alle Herzlichkeit, als Heidi Knott und Horst Hamm mit ihrem B31-Film durch die Tür traten. Ich organisierte einen Schnittplatz, denn sie hatten bis zur Ausstrahlung in OZON noch einige Änderungen zu machen. Natürlich blieb ihnen unsere Stimmung nicht verborgen. In einer Kaffeepause vom Filmschnitt erzählte ich Heidi von unseren Sorgen. Sie fragte, überlegte, erinnerte sich an ähnliche verzweifelte Situationen bei ihrer Filmarbeit mit Peter Krieg Anfang der 80er Jahre.

Dann fragte sie plötzlich: „Warum gründet Ihr nicht miteinander einen gemeinnützigen Verein? Davon haben wir in Freiburg reichlich.“ Ich stutzte, das Wort Verein war uns in der DDR ziemlich fremd geworden. Gab es doch seit der Ablösung des BGB durch das Zivilgesetzbuch der DDR 1976 außer im Sport offiziell keine „Vereine“ mehr. Nur Arbeitsgemeinschaften im Kulturbund und in den Großbetrieben.


Hartmut Sommerschuh