Mit Monika Griefahn von der Moldau bis Brandenburg


Es gibt nicht nur für das Klima so genannte Kipp-Punkte, sondern auch mitunter im Leben: Vor 48 Jahren als Regie-Student an der Potsdamer Filmhochschule war ich Mitbegründer eines Internationalen Studentenfilm-Festivals, das heute jährlich an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ ganz poetisch „Sehsüchte“ heißt.
Vor mehr als 30 Jahren stand ich an der Seite von Kollegen der Landwirtschaftsredaktion „Kreisläufe“ im DDR-Fernsehen, die 1989 im Wendeherbst das kritische Umweltmagazin „OZON“ gemeinsam erkämpften. Als 1991 das Ende dieses Senders feststand, gründeten wir den FÖN e.V., um uns gemeinsam weiter für die Umwelt zu engagieren. Ein Jahr zuvor lernte ich im Westen das Filmfestival „Ökomedia“ in Freiburg kennen, für das ich 1991 und 1992 Sprecher der internationalen Jury wurde und mit den gewonnenen Freunden, die dort das Festival leiteten, Jahr für Jahr ihre Preisträger-Filme für Publikumsgespräche in den Osten brachte.
Im Frühsommer 1991 traf ich für einen Filmbeitrag der Redaktion „OZON“ in Prag am Ufer der Moldau die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn zu einem Interview. Vor uns ein Lastschiff mit dem Namen „Labe“ - zu Deutsch „Elbe“ - auf dem sie eine Ausstellung über die Ursachen für diesen stinkenden Fluss eröffnete. Auf der Fahrt vom Zusammenfluss in Melnik bis Hamburg legte die „Labe“ in vielen Städten an. Für meinen Film durfte unser Drehteam mehrmals mitfahren. Wo wir anlegten, gab es Publikumsgespräche - auch mit der jungen Umweltministerin aus Niedersachsen.

Als ich 2006 die Leitung für das Brandenburgische Filmfestival Ökofilmtour übernahm, war Monika Griefahn inzwischen Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin der SPD-Fraktion für Kultur geworden, also auch sehr engagiert für den Film in Deutschland. Viele kannten damals ihren Werdegang als Mitbegründerin von Greenpeace Deutschland 1980 und im internationalen Vorstand (1984 - 1990) bis in diese hohen politischen Ämter.
Da wir uns im Leben immer mal wieder getroffen hatten, war das für mich Grund für die Anfrage, sie für unsere Jury zu gewinnen. Nach zwei Jahren beharrlichen Werbens kam tatsächlich eine Zusage, die sie dann zwölf Jahre lang aufrecht erhielt. Durch sie, die selbst 2002 als Ritterin in die französische Ehrenlegion aufgenommen wurde, erhielt die Ökofilmtour dann jenen „Ritterschlag“, den sie zur 10. Preisverleihung des Festivals am 15. April 2015 im Hans Otto Theater Potsdam mit dieser Festrede austeilte:
"Sehr geehrte Damen und Herren!

In diesem Jahr tourte das Festival des Umwelt- und Naturfilms, die Ökofilmtour, zum zehnten Mal durch Brandenburg. Das Programm war richtig gut: tolle Filme, kreative Ideen, engagierte Regisseure und Autoren, zahlreiche Ehrenamtliche, die mit anpacken. Dass dieses Festival bis heute immer wieder zittern muss, dass genug Fördergelder zusammenkommen, das ist grundfalsch. Immerhin: Das Land Brandenburg honoriert die Arbeit der Festival-Organisatoren jetzt mit einer festen Haushaltsposition. Dafür danke. Vielleicht eifert diesem Vorbild ja jemand nach, damit das Festival endlich Planungssicherheit bekommt!
Liebe Unternehmen – hier gibt es ein wunderbares kulturelles Angebot, für das sich finanzielles Engagement wirklich lohnt!
Die Ökofilmtour erreicht auch den ländlichen Raum. Im Gepäck hat sie hohe Qualität! Mit den nominierten und prämierten Filmen reisen Organisator Ernst-Alfred Müller und seine Mitstreiter Jahr für Jahr durch 60 bis 70 Orte in Brandenburg, in denen es fast keine Kinos gibt. In der Fläche zeigen sie Filme, diskutieren mit dem Publikum oder erörtern sie mit Schulklassen. Oft sind Regisseure oder Autoren mit von der Partie. Die Zuschauer können sie hautnah erleben und viel über ihre Arbeit erfahren.
200 ehrenamtliche Mitveranstalter gibt es im ganzen Land, und was dann auf Leinwänden gezeigt wird, legt thematisch entweder den Finger in die Wunde oder zeigt wunderbare Bilder von der Schönheit der Natur. In diesem Jahr spielen Themen wie Landgrabbing eine Rolle – das ist brandaktuell und hochbrisant in den östlichen Bundesländern – oder auch die Themen TTIP, Atomausstieg oder die ökologischen Folgen von Kriegen.

Die Filme stammen von Autoren, die zu den besten Dokumentaristen und Naturfilmern Deutschlands gehören. Wenn wir mit ihnen sprechen, wird deutlich, wie schwer es ist, sich mit dieser Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die meisten von ihnen sind Freiberufler, und deren Honorare stagnieren seit Jahren. Sie packen brisante Themen an, die intensive, lange, manchmal teure und zum Teil auch gefährliche Recherchen und viel Hartnäckigkeit erfordern. Haben sie ihr Material erfolgreich zusammen, dann müssen sie darum kämpfen, dass ihre Filme auch gezeigt werden.“

Ernst-Alfred Müller