Zwischen Buch und Buchten


Als mir vor zwanzig Jahren das Hütchen des Arbeitskreises LITERATUR UM WELT aufgesetzt wurde, trat ich in große Fußstapfen. Lia Pirskawetz hatte das Grüppchen, das sich Ende der achtziger Jahre unter dem geistigen Schutzschirm von Reimar Gilsenbach in Brodowin gebildet hatte – daher Brodowiner Gespräche – nicht nur organisatorisch über die Wirren der Wendezeit gerettet. Mit einem fulminanten literarischen Wurf eroberte sie sich 1986 zudem einen der ersten Plätze in der Literatur unter den um die Welt und Umwelt besorgten Autorinnen und Autoren in der DDR. Ihr Roman “Der stille Grund“ - ein Buch, das bleiben wird. Weitsichtig hatte Lia Pirskawetz dafür gesorgt, daß der Arbeitskreis bundesweit agieren konnte, von Kiel über Steckby an der Elbe bis München reicht der Radius der Aktiven heute.

Als ich meine Arbeit begann, gab es bisweilen erregte Debatten um Ost und um West. Sie wurden ausdiskutiert. Die räumliche Herkunft ist im inneren Kreis nur noch von Belang, wenn es um die unterschiedlichen Erfahrungen in den beiden ehemaligen Deutschländern geht.

Manchmal, so schien es, sind wir gegen Windmühlenflügel angerannt. Bittere Wahrheit, daß sich in den dreißig Jahren der Autoverkehr in Deutschland um kein Quentchen verringert hat, im Gegenteil. Das Klima hat sich nicht stabilisiert. Kleine und große Tiere und Pflanzen sind immer noch vom Aussterben bedroht. Trotzdem haben wir vielleicht ein wenig dazu beigetragen, daß es einen gesellschaftlichen Sinneswandel geben könnte. Kleines Beispiel: Vor etlichen Jahren saß Richard Pietraß bei einem öffentlichen Podiumsgespräch mit auf dem Podest und hielt anklagend eine Verpackung aus Plastikfolie in die Höhe, die - nur wenig übertrieben - mehr wog als ihr Inhalt. Er erntete damals Unverständnis. Heutigentags wäre es immerhin fast peinlich, überhaupt eine Diskussion zu diesem Thema anzuberaumen.

Wenn nicht gerade Jahrestagungen, Lesungen, Aktionen oder Exkursionen anstehen, arbeitet jede und jeder von uns meist still, beharrlich und eigensinnig in ihrem und in seinem Bereich: An Text und Bild und Film, an wissenschaftlichen Studien und Publikationen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg und Anerkennung in der öffentlichen Wahrnehmung. In den drei Jahrzehnten haben wir einander unterstützt und ermutigt und uns gegenseitig vergewissert, daß - ungeachtet aller Zweifel - unsere Anstrengungen nicht umsonst sind.

Da unsere Zusammenkünfte in wechselnden Regionen Brandenburgs stattfinden, hat sich das Prinzip, auf die potentiellen Mitstreiter vor Ort zuzugehen und sie einzubeziehen, bewährt. Bibliotheken, Vereine, temporäre Initiativen sind uns nicht nur willkommene Partner, sie bereichern und erweitern unseren Horizont. Wir planen und organisieren im Kollektiv, man kann auch Teamwork dazu sagen. Ohne Co-Leiterin Jutta Schölzel, ohne ihre Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen, ohne ihre Fähigkeit, sich im Dschungel der Gesetze und Verordnungen nicht nur zurechtzufinden, sondern auch noch das eine oder andere Fördermittelchen herauszuschlagen, wäre die Arbeit von LITERATUR UM WELT nicht denkbar. Ein bisschen doppelt gemoppelt - die Aktiven im Aktiv, das sich regelmäßig zu Beratungen trifft, um Ideen zu liefern, Probleme zu diskutieren und politisches Zeitgeschehen in die Denk-Werkstatt aufzunehmen, sind in alphabetischer Reihenfolge: Ernst Paul Dörfler, Annegret Herzberg, Hans Häusler und nach seinem Tod im Jahr 2011 Sigrid Pohl-Häusler, kurzzeitig Sabine Jambon, Jürgen Leskien, Ernst-Alfred Müller, Richard Pietraß, Erhard Scherner und Lars Steger. Hinter allem Kleinklein um Spritpreise und Abstandsgrün, vereint uns, eher in stillschweigender Übereinkunft, denn ausgesprochen, gemeinsames Wirken zum Wohle der Kunst und zum Wohle der Schönen Literatur.

Jutta Schlott